Rüstungsexporte an Despoten, Zukunft der Stahlsparte, Wassersstoff und Menschenrechte: Unsere Fragen an den Vorstand von Thyssenkrupp

In unserem Gegenantrag zu TOP 2 kritisieren wir, dass der Vorstand der Thyssenkrupp AG nicht ausreichend seiner Verantwortung für das Erreichen der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens und der UN-Nachhaltigkeitsagenda nachkommt. Zudem kritisieren wir Rüstungsexporte an kriegführende und menschenrechtsverletzende Staaten.

Fragen zu Rüstungsgeschäften und Rüstungsexporten:

  • Die neue Bundesregierung äußerte sich sehr kritisch zu den Rüstungsexporten von Thyssenkrupp. Sie will ein Rüstungsexportkontrollgesetz einführen, noch dieses Jahr. Sehen Sie ein erhöhtes Risiko, dass Ihre aktuellen und geplanten Rüstungsgeschäfte mit kriegführenden und menschenrechtsverletzenden Staaten nicht mehr genehmigt werden könnten?
  • Welche konkreten Vorhaben mit welchem finanziellen Umfang könnten aus Ihrer Sicht betroffen sein?
  • Werden Sie Ihre Verfahren der Auftragsakquise im Hinblick auf das künftige Rüstungsexportkontrollgesetz ändern? Falls ja, wie genau?
  • Die EU-Kommission plant, mit der sog. Taxonomie bestimmte Rüstungsgeschäfte als nicht nachhaltig einzustufen. Inwiefern engagieren Sie sich derzeit, Rüstung trotzdem als nachhaltigen Sektor in der EU- Taxonomie zu verankern?
  • Inwiefern bzw. in welchem Umfang haben dazu bereits Gespräche mit welchen Ministerien stattgefunden?
  • Warum halten Sie es trotz der aggressiven Außenpolitik Erdogans weiterhin für vertretbar, an dem Geschäft mit der Türkei festzuhalten?
  • Sie liefern aktuell drei Fregatten vom Typ MEKO A-200 EN an Ägypten. Seit 2015 beteiligt sich Ägypten an der von Saudi-Arabien geführten Allianz, die im Jemen die Huthi-Rebellen bekämpft. Seitdem kommt es immer wieder auch von Seiten der Allianz zu Angriffen gegen Zivilist:innen – klare Verstöße gegen internationale Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht.  Inwieweit halten Sie die Lieferung von Marineschiffen und U-Booten an Ägypten und damit an ein Land, dass in Kriegshandlungen verstrickt ist, weiterhin für vertretbar?
  • Wie bewerten Sie das Reputationsrisiko, das aus derartigen hochkontroversen Rüstungsexporten an kriegführende Staaten für Ihren Konzern erwächst?
  • In Israel laufen aktuell Ermittlungen und Gerichtsverfahren wegen möglicher Korruption und Rechtsbrüchen bei Ihren Rüstungslieferungen. Geprüft wird, ob es bei der Beschaffung deutscher U-Boote und Korvetten in den Jahren 2009-2016 zu Unregelmäßigkeiten kam. Unlängst hat die israelische Regierung hierzu eine Untersuchungskommission eingerichtet. Welche Konsequenzen hätte ein Untersuchungsergebnis, dass die Korruptionsvorwürfe bestätigt, auf alte und neue Verträge? Gibt es ggf. entsprechende Vertragsklauseln, die in diesem Fall mögliche Haftungsansprüche regeln?
  • Thyssenkrupp Marine Systems hat sich im Jahr 2020 in einem Konsortium verpflichtet, vier Fregatten in Brasilien für die Marine des Landes zu bauen. Angesichts eines Präsidenten wie Jair Bolsonaro, der Demokratie verachtet und immer wieder von Putsch redet, ist das diesbezügliche Engagement von Thyssenkrupp nicht tragbar. Wie bewertet Thyssenkrupp vor dem Hintergrund einer gefährdeten Demokratie in Brasilien das Risiko, dass ein auch künftig rechtsextremer Präsident Brasiliens in Zukunft auch mit diesen Fregatten Krieg gegen in Südamerika konkurrierende Staaten führen könnte?
  • Wie gedenkt Thyssenkrupp zu reagieren, falls eine kommende neue Regierung in Brasilien die berechtigte Frage nach der Legitimität der auch aus diesem Kriegswaffenprojekt entstandenen Schuldverbindlichkeiten aufwerfen und die Streichung des Auftrags sowie aller daraus erwachsener Verbindlichkeiten in Erwägung ziehen würde?

Fragen zur Zukunftsperspektive der Stahlsparte

  • Wie sehen die aktuellen Pläne zu einem möglichen Spin-off der Stahlsparte aus? Was genau sind die Kriterien und Parameter, die in der Eingangsrede von Frau Merz nicht weiter erläutert werden?
  • Planen Sie zu einem möglichen Spin-off der Stahlsparte eine außerordentliche Hauptversammlung, ggf. noch dieses Jahr?
  • Können Sie ein konkretes Ausstiegsdatum aus der Kohlenutzung Ihrer Stahlsparte nennen?
  • Wie hoch sind die derzeit geplanten Investitionen in das Stahlgeschäft?
  • Planen Sie, bei einem Spin-off der Stahlsparte die Investitionen in dieses Geschäft zu erhöhen?
  • Angesichts steigender Preisen für CO2 und Kokskohle: Können Sie die möglichen Gewinnspannen der Stahlsparte der nächsten Jahre nennen, mit denen Sie planen?
  • Klimafreundlicher Stahl könnte auch ohne Wasserstoff in großem Maßstab produziert werden. Ihre Konkurrenz forscht an entsprechenden Verfahren, z.B. der direkten Eisenoxid-Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien. Forschen Sie auch an derartigen Verfahren, um sich nicht von teurem Wasserstoff abhängig zu machen?

Fragen zur Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten

  • Ab nächstem Jahr müssen Sie gemäß Sorgfaltspflichtengesetz (Lieferkettengesetz) vorbeugend gegen menschenrechtliche Verstöße im Rahmen Ihrer Auslandsgeschäfte bzw. bei Ihren Zulieferern vorgehen. Was haben Sie konkret dazu an ihren bisherigen Aktivitäten zur Erfüllung Ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten geändert?
  • Flossen bei der Erarbeitung diesbezüglich neuer Kriterien und Vorgaben auch Erfahrungen aus dem Desaster des Thyssenkrupp-Stahlwerks in Rio de Janeiro wo, wo die Rechte der lokalen Bevölkerung wie traditionellen Fischer:innen missachtet wurden? Welche Lehren haben Sie aus der Vergangenheit gezogen?
  • Welche Rohstoffe in welchem Umfang bzw. Mengen haben Sie in den letzten drei Geschäftsjahren von den Bergbaukonzernen Vale, Anglo American und Glencore bezogen?
  • Im Jahr 2008 feierte Thyssenkrupp zusammen mit Vale die einmilliardenste Tonne Eisenerz, die seit den 1980er Jahren aus der Eisenerzlagerstätte Carajás im amazonischen Regenwald nach Duisburg zu Thyssenkrupp geliefert wurde. Auf welche historische Gesamtmenge beläuft sich die Eisenerzliefermenge aus der Mine Carajás nach Duisburg Stand heute?
  • Welche historischen Mengen bezog Thyssenkrupp in der Vergangenheit bis heute aus den Minen von Brumadinho (Dammbruch 2019) und wie viel aus der Mine bei Mariana (Dammbruch 2015)?

Fragen zu Wasserstoffprojekten

  • Wie wollen Sie sicherstellen, dass bei der künftig massiv auszubauenden Wasserstoffproduktion, die Thyssenkrupp beispielsweise für die Produktion von „grünem“ Stahl benötigt, alle arbeits-, umwelt-, und menschenrechtlich relevanten Kriterien – vor allem in den Ländern des Globalen Südens – eingehalten werden?
  • Haben Sie diesbezüglich bereits einen speziellen Kriterienkatalog erarbeitet?
  • Können Sie die Prüfung von umweltrelevanten, arbeitsrechtlichen und menschenrechtlichen Kriterien anhand des in der Eingangsrede von Frau Merz erwähnten Wasserstoffprojekts in Saudi-Arabien (Modellstadt NEOM) beispielhaft darstellen?
  • Frau Merz, Sie haben in Ihrer Eingangsrede die Beteiligung an dem Wasserstoffprojekt in Saudi-Arabien genannt. Es entsteht der Eindruck, Thyssenkrupp würde die Kosten eigenständig tragen, dabei erhalten Sie rund 1,5 Millionen Euro Fördergelder von der deutschen Bundesregierung. Halten Sie es nicht für angebracht, dies zumindest zu erwähnen, zumal Sie gleichzeitig weitere staatliche Förderungen, also öffentliche Gelder, einfordern?

Fragen zu Klimazielen:

Thyssenkrupp gehört mit knapp 25 Mio. Tonnen Treibhausgasemissionen (Scope 1 und 2) weiterhin zu den klimaschädlichsten Unternehmen Deutschlands. Doch entscheidend sind auch die Emissionen der Wertschöpfungskette, vor allem jene, die durch die Nutzung von Thyssenkrupp-Produkten entstehen (Scope 3). Ausgerechnet hierzu finden sich keine Angaben im aktuellen Geschäftsbericht.

  • Wie hoch sind die Scope-3-Emissionen gemäß Greenhouse Gas Protocol im abgelaufenen Geschäftsjahr gewesen, aufgeteilt in vorgelagerte Emissionen z.B. der Lieferketten und in nachgelagerte Emissionen, z.B. durch Investitionen und die laufzeitbezogenen Emissionen Ihrer verkauften Produkte?
  • Können Sie sicherstellen, dass dieses Klimaziel dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens gerecht wird?
  • Laut Science Based Target Initiative sind Ihre Klimaziele nicht mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens kompatibel. Planen Sie hier neue Ziele, und wenn ja, wie lauten diese bzw. wann werden diese veröffentlicht?
  • Wie werden Sie sicherstellen, dass Ihre Klimaziele dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens gerecht werden?

Fragen zur Verschmelzung der Thyssenkrupp Steer Tec auf die Thyssenkrupp Presta

Die im Jahr 2014 erfolgte Verschmelzung der Thyssenkrupp Steer Tec Mülheim GmbH auf die Thyssenkrupp Presta Mülheim GmbH war möglicherweise rechtswidrig. Bei beiden Gesellschaften handelt es sich um Tochtergesellschaften der Thyssenkrupp AG. Laut Klage eines Betriebsratsmitglieds der Thyssenkrupp Presta beim Amtsgericht Duisburg vom 30.12.2021 (AZ 515 C 17/22) hatte die Beklagte GmbH ihren ursprünglichen Geschäftsbetrieb in Düsseldorf 2012 stillgelegt und den Sitz im Februar 2014 nach Mülheim an der Ruhr verlegt. Der Kläger wurde als Betriebsrat der an einer Unternehmensumwandlung beteiligten Firmen weder angehört noch wurde ihm der Vertrag oder der Entwurf der Verschmelzungs- und des Übernahmevertrages zugeleitet. Der Betriebsrat hätte gemäß § 5 Abs. 3 Umwandlungsgesetz beteiligt werden müssen (siehe kritischeaktionaere.de/thyssenkrupp/klage).

  • Warum wurde der Betriebsrat der an einer Unternehmensumwandlung beteiligten Firmen nicht angehört?
  • Warum wurde dem Betriebsrat der Vertrag oder der Entwurf der Verschmelzungs- und des Übernahmevertrages nicht zugeleitet?
  • Was hat Thyssenkrupp unternommen, um auszuschließen, dass die erfolgte Verschmelzung der Thyssenkrupp Steer Tec Mülheim GmbH auf die Thyssenkrupp Presta Mülheim GmbH rechtswidrig ist?

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